Maja Göpel: Wege zur Transformation

, von Ekkehart Schmidt

Was macht man als Forscherin, wenn die Apokalypse droht? In einem Buch einen Mentalitätswandel empfehlen. Gut, das haben zuletzt viele Autor*innen unternommen, die in der Debatte um Nachhaltigkeit eine Rolle spielen. Maja Göpel aber wird zurzeit besonders häufig gefragt, wie die Pandemie unsere Welt verändert und welche Reformen nötig sind, damit wir auch die Klima- und Biodiversitätskrise in den Griff bekommen. Denn es ist unser ganz normaler Alltag, der die Welt zerstört.

Die Politökonomin der Leuphana Universität Lüneburg fragt sich seit vielen Jahren, nach welchen Werten, Grundlogiken und Regeln Gesellschaften ihre Wirtschaft organisieren, welchen Einfluss Entscheidungen auf das Klima und die anderen natürlichen Grundlagen unseres Lebens haben – und ob das nicht auch anders geht. Als Transformationsforscherin beschäftigt sie sich mit Kommunikationsmustern in der Debatte um eine ökologische Transformation. „For Future“ sein heißt in Frage stellen, was wir für normal halten: Dass individuelle Freiheit so weit gehen darf, dass sie zur schonungslosen Ausbeutung von Natur führt?

Wir spüren, dass unsere Welt an einem Kipp-Punkt steht. Den Menschen im globalen Norden geht es einerseits so gut wie nie, andererseits zeigen sich nicht nur im globalen Süden Verwerfungen, Zerstörung und Krise, wohin wir auch sehen. Scheinbar gleichzeitig sind nicht nur die Ökosysteme, sondern auch viele menschgemachte Systeme unter Stress geraten. Wir ahnen: So wie es ist, wird und kann es nicht bleiben.

Wie aber finden wir zu einer Lebensweise, die das Wohlergehen des Planeten mit dem der Menschheit versöhnt? Wo liegt der Weg zwischen Ökodiktatur und Schuldfragen auf der einen und Wachstumswahn und Technikversprechen auf der anderen Seite? Diese Zukunft neu und ganz anders in den Blick zu nehmen - darin besteht die Einladung, die Maja Göpel im Untertitel ihres neuen Buchs „Die Welt neu denken“ ausspricht.

Ihr erzählendes Sachbuch lädt uns ganz persönlich ein, die unumgängliche Transformation anzugehen. Dazu muss man nicht Wirtschaftswissenschaften studiert haben. Als Mitglied des Club of Rome richtet sie in dieser entscheidenden Debatte unserer Zeit aber auch an die Adresse von Wirtschaft und Politik eine substanzielle Forderung: Sie stellt unser Wirtschaftsmodell fundamental in Frage, plädiert für eine Generalüberholung und weist Wege zu einer Transformation auf. Dies gelingt ihr ganz unideologisch und unterhaltsam.

Ganz ohne wirtschaftswissenschaftliche Argumentationen geht es freilich nicht: Wenn sie fragt, wie der Kollaps der Erde durch fortschreitende Ausbeutung der Ressourcen und die soziale Ungleichheit gestoppt werden können, wird den Leser*innen nicht nur das herrschende ökonomische Wachstumsmodell analysiert, sondern auch vorgerechnet, wie sich Verteilungsgerechtigkeit bewerkstelligen ließe.

Für die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft schlägt sie vor, Wertschöpfung, Produktivität und Wirtschaften so neu zu denken, zu messen und zu organisieren, dass die planetaren Grenzen und Ökosystemdienstleistungen ernst genommen werden und individuelles wie gesellschaftliches Wohlbefinden explizites Ziel werden. Ihr Modell nachhaltigen Wirtschaftens und gerechter Verteilung von Reichtum sieht vor, Wachstum nicht als absoluten Zweck, sondern als ein Mittel zu verstehen, einen strategischer Umgang mit den natürlichen und endlichen Ressourcen zu praktizieren und zu einer schärferen Besteuerung hoher Einkommen zu kommen. Darüber hinaus sei ein entsprechendes Innovationsverständnis ausschlaggebend und Zukunftsbildung (Transformative Literacy), welche Betroffene zu Akteuren von Veränderungsprozessen macht .

Zur Autorin: Maja Göpel, promovierte deutsche Politökonomin und Transformationswissenschaftlerin, ist Direktorin der 2020 in Hamburg gegründeten Denkfabrik The New Institute und hält zudem eine Honorarprofessur an der Leuphana Universität Lüneburg und ist in vielen weiteren Gremien engagiert, u.a. dem Club of Rome. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern stellte sie 2019 die zur Unterstützung der Schülerproteste gegründete Kampagne Scientists for Future vor.

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Artikel vom 18. Februar 2021