Mühle von Bigonville

, von Ekkehart Schmidt












Der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch liegt in Luxemburg bei nur 5 Prozent (Stand: 2016), ist laut der Ende 2008 beschlossenen Erneuerbare-Energien-Richtlinie bis 2020 jedoch auf mindestens 11 Prozent zu steigern, will man die international vereinbarten Klimaziele erreichen. Studien des Umweltministeriums belegen, dass auch ein hohes Potenzial besteht, dieses Ziel zu erreichen. Bislang wird jedoch der überwiegende Teil der hierzulande verbrauchten Energie importiert und stammt zudem aus fossilen Quellen.

Im Vergleich zu den Nachbarländern wird im Grossherzogtum zwar bereits ein sehr hoher Anteil (der überhaupt erzeugten) Energie aus Wasserkraft produziert, doch wurde das volle Potenzial noch lange nicht erschlossen.

Etika unterstützt dieses Ziel mit Krediten zur Sanierung von Wassermühlen. Die sechste von bislang neun geförderten Wassermühlen ist die seit Mai 2006 arbeitende neue Wasserkraftanlage an der Mühle von Bigonville (Fotos). Sie erzeugt mit zwei Turbinen 55 Kilowatt-Stunden Energie. Diese Menge reicht aus, um immerhin gut hundert Wohnungen mit Strom, zu versorgen. Die produzierte Energie wird zu einem Garantiepreis in das Cegedel-Netz eingespeist.

Diese Investition wurde möglich durch einen Investitionskredit in Höhe von 146.800 Euros,

der den Betreibern 2006 durch etika und Spuerkess über eine Laufzeit von 15 Jahren gewährt wurde. Betrieben wird die Anlage durch drei Privatpersonen, die sich zu einer Aktiengesellschaft zusammen geschlossen haben, um das Projekt umzusetzen.

Bei der Beschreibung des Projekts lohnt ein Blick in die Historie. Die Sauer ist wegen ihres Gefälles, das in den einzelnen großen Abschnitten des Flusslaufes verschiedene Stärken aufweist, seit Jahrhunderten ein geeignetes Gewässer zur Anlage zahlreicher

Mühlen gewesen. Die Obersauer kann man infolge ihres starken Gefälles stellenweise mit einem reißenden Gebirgsbach verglichen. Ihre Wassermasse kann vom niedrigsten Stande bei Trockenheit bis zum höchsten Niveau bei anhaltenden Regenfällen oder plötzlicher Schneeschmelze (Überschwemmungen) zum hundertfachen ansteigen. Zur Anlage von Mühlen war der obere Teil des Flusses dennoch besser geeignet, da sein Gefälle wesentlich stärker ist und die technischen Schwierigkeiten zur Konstruktion von Wehren und Kanälen sich als geringer erwiesen.

Die Mühle von Bigonville liegt einsam am Oberlauf der Sauer, wenige Kilometer, bevor diese in den Stausee mündet, hinter einer langen, schmalen und relativ niedrigen Felszunge, durch den der Fluss zu einem Mäander gezwungen wird. Hier befindet sich das Naturschutzgebiet "Bruch-Pont Misère", das zur Wasserschutzzone des Stausees gehört. Der eigentliche

Ort Bigonville liegt mehrere Kilometer weiter südlich auf der Hochebene des Ösling.

Die erste Nennung der "Bungerëfer Millen" datiert auf das Jahr 1320, sie ist aber wohl älter. Die Mühle war eine von 33 sog.Königsmühlen in Luxemburg, d.h. Mühlen, die im Besitz der Luxemburger Grafen waren. Sie verfügte ursprünglich über zwei Wasserräder. 1890 wurde sie erneuert, nach dem 1. Weltkrieg wurde schliesslich ein erster Generator zur Stromerzeugung aufgestellt. In der Zeit - aus der das historische foto oben stammt - wurde schon nicht

mehr nur Getreide aus dem Ösling vermahlen, sondern sogar tonnenweise amerikanischer Mais, der über Antwerpen angeschifft wurde,

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Mühle neu eingerichtet, war als sog. Kundenmühle aber ab 1947 nicht mehr rentabel, weil die Menschen der Gegend begannen, ihr Brot

beim Bäcker bzw. im Einzelhandel zu kaufen. Nachdem ein Teil der Gebäudes zu einem Hotelbetrieb umgebaut worden war, wurde 1952 die Mühle für immer geschlossen und ein Hotel eröffnet, das bis vor wenigen Jahren fortbestand, ehe das Gebäude zu einem Flüchtlingsheim umfunktioniert wurde.

Für die Entwicklung des Fremdenverkehrs war es günstig, dass 1954 die Rekonstruktion der Brücke über die Sauer in der Nähe der Mühle ausgeführt wurde. Das angestaute Wasser am Wehr war in den Sommermonaten ein offenes Schwimmbad. Die Wiese wurde als „Plage“ benutzt und jedes Hotel in der Gegend das etwas auf sich hielt, hatte einen solchen Strand.

Armand Weber, einer der Partner des Projekts, erhielt im Oktober 2012 einen weiteren Investitionskredit für die Einrichtung einer Fotovoltaik-Anlage, deren Strom an die Wasserkraftanlage gekoppelt ist. Der Kredit beläuft sich auf 67.462,19 Euro bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Weber erhofft sich damit, die im Laufe der Jahre deutlich gewordenen Schwierigkeiten der Mühle bei der Rückzahlung der Kreditsumme zu kompensieren. Armand Weber möchte ausdrücklich dazu beitragen, die CO2-Bilanz Luxemburgs senken zu helfen: "Dafür bin ich bereit, mein Privatvermögen zu riskieren und einzusetzen". Sowie seine Freizeit, möchte man anfügen, ist doch das Betreiben solcher Anlagen durchaus mit viel Arbeit verbunden.

Die offiziell Centrale Hydro Electric M.B. (C.H.E.M.B sàrl) genannte Anlage hat 2006 den Prix nova naturstroum gewonnen.

Nach Auffassung des Zusammenschlusses "Votum Klima" ist Luxemburg in der Lage, seine Klimaschutzziele zu erreichen, "aber nur, wenn es eine echte Kehrtwende in der Klima- und Energiepolitik geben wird". Votum Klima ist ein Zusammenschluss von Vereinen wie ASTM, Caritas oder etika, der mögliche Wege für dieses Ziel aufzeigen möchte.

Kontakte:
Josette Altwies, Moulin de Bigonville, L-8814 Bigonville, Tel : 99 30 41 / / Armand Weber, 1 chemin rouge, L-4480 Belvaux

Verwendete Quelle: Erpelding, Emile: Bungerëfer Millen, etwa 1984

Artikel vom 19 März 2009, zuletzt aktualisiert am 29. März 2017