Sustainable Finance – Ethical Finance

, von Ekkehart Schmidt

“It’s the economy stupid“ - einst Bill Clintons Wahlkampfspruch - stammt aus der Zeit eines kometenhaften Aufstiegs der Finanzsphäre und wird deshalb heute wohl heißen müssen „it’s the finance, stupid“, insbesondere in Luxemburg. Unzählige Studien verschiedenster Methoden kommen zu einem ähnlichen Schluss: Finanzen durchziehen in unseren Gesellschaften derart viele Bereiche, dass sie diese nicht nur rational organisieren, also nicht nur Medium sind, sondern sie auch miteinander verbinden und damit krisenanfälliger machen. Fakt ist: fürs Geldvermehren braucht man heute oftmals keine Wirtschaft mehr, das geht rein finanziell. Absurd, oder nicht? Das Finanzwesen nachhaltig oder ethisch machen – das klingt nach einem guten Projekt, oder?

Schauen wir genauer hin. Was drin ist in den Verpackungen dieser Begriffe. Im Mainstream-Diskurs um sustainable finance versucht sich die CSV an der Oppositionsarbeit und macht Druck, auf die Regierung, dass sie eine Reduktion der taxe d’abonnement für „grüne Fonds“ einführt. Wahrscheinlich lacht sich der Finanzplatz in die Tasche. Denn eigentlich kommt die auch als „green factor“ bekannte Idee von dort. Komischerweise diskutiert politisch niemand über den „brown factor“ (fossile Vermögenswerte werden höher besteuert).

Anreizpolitik macht sich eben besser als Abreizpolitik und man will den staatstragenden Finanzplatz nicht schädigen. Denn Fonds und andere Investoren mit konsequenten Ausschlusslisten, insbesondere für fossile und nukleare Energien, sind nach wie vor die Ausnahme. Nachhaltiger werden die Fonds durch eine niedrigere Besteuerung allein jedoch nicht. Wieder einmal geht es hier eigentlich um Wettbewerbsfähigkeit durch Steuerdumping, statt um stabile und ordentliche, also nachhaltige und klimafreundliche Finanzen.

Nun, da wir verstanden haben, dass das, was derzeit „sustainable finance“ genannt wird, diesem Titel zwar vielleicht im Ansatz, jedoch in der Umsetzung bei weitem nicht gerecht wird, scheint es geboten, Alternativen darzubieten: Ethical Finance. Eine zu Anfang des Jahres erschiene Studie der italienischen Stiftung finanzaetica „Ethical and sustainable finance in Europe“ zeigt die bereits angerissenen Versäumnisse der Finanzakteure auf, die sich als sustainable bezeichnen. Die Studie bietet Paradebeispiele von Fonds, die sich nachhaltig nennen, jedoch massiv in fossile Energien oder Konzerne wie Apple, Google, Daimler oder

Nestlé investieren – nicht zuletzt in Banken und Versicherungen, die ebenfalls alles andere als nachhaltig sind. Die Kennung der meisten Fonds ist - Achtung Überraschung - LU. Nun gut, wir konnten es ahnen, immerhin ist Luxemburg Fondsplatz Nummer 2 in der Welt. Solche grünen Fonds sollen also in Zukunft von einer „Entlastung“ bei der taxe d’abonnement profitieren?

Schauen wir besser auf die Seite von ethical finance wo das Gras nicht nur grüner aussieht, sondern auch grüner ist. Die Autoren der Studie (wohlgemerkt auch nicht ganz neutral im Kampf um Deutungshoheit) stellen fest, dass ethische Banken dreimal so gut in deren Leistungsbilanzen abschneiden, wie systemische Banken (Sie erinnern sich, die Banken für die wir teuer zahlen mussten und die noch immer zu groß sind, die jedoch jetzt immer wieder sogenannte Stresstests machen müssen, die wenig bringen werden, wenn mal wieder Dominoeffekte drohen). So waren ethische Banken nicht nur profitabler, sondern gewährten auch mehr Kredite. Sie tun also, was die Großen auch tun sollen: Die Produktivwirtschaft finanzieren.

Die EZB hat zwar zunehmend verzweifelt den Markt mit billigem Geld versorgt und Zinsen auf Einlagen genommen, aber die Verleihquoten der Großen Banken sind nicht wie gewünscht gestiegen. Börsenspekulation und andere Nicht-Depot-Kredit-Geschäfte sind profitabler. In 2017 hatten ethische Banken im Schnitt 77% ihrer Vermögenswerte verliehen, während Mainstream-Banken lediglich auf Verleihquoten von 40,52% kamen. Ethische Banken finanzieren ihre Aktivität, das Verleihen von Geld, durch Einlagen. Klassische Depotbanken eben! Sie tun also das, was die Leute meinen, was eine Bank tut.

Die großen Geldhäuser entsprechen diesem Bild dagegen schon lange nicht mehr. Sie finanzieren sich kurzfristiger - insbesondere durch den Verkauf von Anleihen und durch Kredite anderer Banken, wodurch sie anfälliger werden. Der Jahresbericht 2018 der Luxemburger Bankenvereinigung zeigt klar: Von der Zinsmarge (Depot- und Kreditgeschäft) lebt eine Bank in Luxemburger schon lange nicht mehr allein. Im Gegenteil, Provisionen und „sonstige Einkünfte“ machten in den letzten Jahren stets etwa die Hälfte des Umsatzes aus. Und die Reingewinne stimmen noch immer, bei allem Stöhnen über die Niedrigzinsphase.

Auch bei den Eigenkapitalquoten schneiden die ethisch motivierten Banken mit doppelt so hohen Reserven deutlich besser ab und sind damit sicherer. Im Schnitt hatten die europäischen ethischen Banken deutlich geringere Kreditausfallraten als ihre nicht dezidiert ethische Konkurrenz. Nicht zuletzt sind ethische Banken stärker gewachsen und waren profitabler als ihre Konkurrenz.

Was also spricht noch für BGL, HSBC, UBS, Deutsche Bank, Société Générale und Co.? Diese Banken bringen unserer globalisierten Wirtschaft keinen produktiven Nutzen. Sie erhöhen im Endeffekt durch die Risiken ihrer Verflochtenheit und horrenden Bilanzsummen lediglich die Transaktionskosten für alle. Ihre Dienstleistungen Depot und Transfer werden von ethischen Banken mit deutlich geringerem Risiko für die Wirtschaft und von Fin-Techs mit deutlich geringeren Kosten abgewickelt. Wozu brauchen wir also noch die Finanz-Giganten? Richtig. Das war eine rhetorische Frage.

Wir brauchen sie nicht. Sie brauchen uns. Das Problem ist nur ihre ungeheure Macht. Denn nur die Finanzexperten, also solche die im Feld arbeiten, gelten als Experten und beraten, natürlich ganz objektiv, unsere Politiker. Es gibt kaum zivilgesellschaftliche Finanzlobbyisten, die dem etwas entgegen setzen könnten. Allein in Brüssel so schätzt ein Bericht der österreichischen Arbeitnehmerkammer aus 2014 („The firepower of the financial lobby“), werden jährlich 120 Mio. € für ca. 1.700 Finanz-Lobbyisten ausgegeben. Zivilgesellschaftliche oder gewerkschaftliche Akteure sind zahlenmäßig 7-fach unterlegen.

Wenn wir also wollen, dass Finanzen wirklich nachhaltig werden, sich also eher am Geschäftsmodell ethischer Banken orientieren, müssen wir einiges unternehmen. Zu allererst muss die frappierende Machtkonzentration der Finanzakteure reduziert werden. Hier hat Luxemburg ein großes Problem. Kaum ein Land hat eine Schlüsselindustrie, die derart groß ist. In Deutschland ist die Autoindustrie trotz ihrer Größe „nur“ etwa ein Zehntel des Bruttoinlandprodukts groß, hier bringt der Finanzplatz mindestens 30% BIP auf die Waage. Trotzdem sollte sich Luxemburg, insbesondere im Rat (EU) und dass im ganz eigenen Interesse, daran machen, Finanzakteure effektiver zu regulieren, eine Mindeststeuer auf Gewinne aus Finanzgeschäften einzuführen und für eine Entflechtung und Entmachtung der zu großen Akteure plädieren.

Dies könnte wohl bemerkt einige Arbeitsplätze in Luxemburg kosten, muss es aber nicht. Wenn erstmal einige Regeln für alle europäischen Länder gelten, wird nicht das ganze Kapital umziehen, Luxemburg hat als Referenz für Finanzen gar nicht mal so schlechte Karten. Letztlich wäre eine solche Politik Selbstschutz, die Luxemburg zudem bei seinen europäischen Partnern sehr viel beliebter machen würde. Ohne die EU bleibt vom heutigen Luxemburg nicht mehr viel. Es wäre also besser, sich proaktiv an deren Erhalt und Verbesserung zu beteiligen, als auf historischen Privilegien zu beharren.

Die Fotos entstanden bei der Summerschool des Institute for Social Banking in Basel 2019 und beim Jahrestreffen der beiden Verbände der Sozialfinanz, INAISE und Febea 2017 in Warschau.